Und jetzt zur Praxis

Schäferbrief

Schäferbrief

Und Jetzt zur Praxis

Wir unterhalten z.Z. 7 (sieben) „pontos“ – das sind Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche. Diese „pontos“ sind bekannt unter dem Namen „ponto do Suiço“ oder „ponto de Aloisio“. Diese „pontos“ sind Wohnungen oder ein paar Zimmer für je10 – 12 Personen, mit Küche, Toilette und Aufenthalts- und Schlafräumen.

Es gibt diese „pontos“ in den bairros (Stadtkreisen) Cajazeiras, Barra/Ondina/ RioVermelho, Cidade Baixa, Sapateiros, Aguas Claras, Ribeira, Bairro da Paz, Bocado Rio. Aufgeben mussten wir den “ponto” von Lauro de Freitas (Kriminalität und Drogen. Ein neuer Mitarbeiter wurde von Bewohnern irrtümlich als Dealer angesehen und mit Steinen erschlagen.)

Zwei „pontos“ verfügen über ein Krankenzimmer. Kontakt besteht zu einem uns wohlgesinnten Arzt, der nach Möglichkeit zu uns kommt. Seine Besuche sind kostenlos. Er verrechnet nur die Kosten für Transport und Medikamente.

Die Standorte können immer wieder wechseln. Salvador ist ein gefährliches Pflaster!

Wie läuft da ein Tag ab?

Die Kinder, die zu uns kommen, haben ja irgendwo einen Vater, eine Mutter, Eltern oder Verwandte. Diese müssen wir suchen – und finden! Es dauert oft lange, denn die Kinder wollen oft gar nicht zu den Eltern zurück und helfen nicht bei der Suche. Aber wegen der Schulpflicht müssen wir mit den Eltern Kontakt aufnehmen.

Die Eltern reagieren sehr unterschiedlich: „Oh Gott. wie haben wir uns Sorgen gemacht!“ — oder: „Nehmt ihn nur wieder mit. Wir haben selbst für uns nichts: Nichts zu essen, nichts zu trinken, kein Bett, wir schlafen auf dem Boden, kein richtiges Dach, keine Toilette…“

Wir sehen unvorstellbares Elend, unvorstellbare Not! Hilflosigkeit, Traurigkeit, Zorn, Wut auf alles: auf die Politik, die Politiker, die Kirche…

Was brauchen wir da? Geduld, Geduld, Geduld! Irgend eine Hilfe: Ein Wort?? Ein Zuspruch??

Wir/Sie brauchen tätige Hilfe, Hilfe, die im Moment hilft, sofort!

Eine Tragtasche gefüllt mit Milch und Brot, Bohnen, Gemüse und Eiern, Zucker und Salz…. Erst dann kommen Versprechen: Wasser, eine Toilette, ein richtiges Dach…. In den elenden Favelas – die es immer noch gibt – fehlt oft alles, alles, alles, ohne das wir unser Leben hier kaum mehr vorstellen können. Eine DAUER- AUFGABE!! Und wenn wir nicht helfen können, die Mittel, die Kenntnisse und „Könntnisse“ uns fehlen? Dann hilft nur noch der TROST: Zusammenertragen, zusammen erdulden, zusammen vertrauen, zusammen beten!

Was wollen und vermögen wir in unseren „pontos“?

„Unsere“ Kinder sollen täglich und regelmässig zu essen und zu trinken und nachts ein Bett haben.

Sie sollen Vertrauen zu sich selber, in uns und dann wieder in die Mitmenschen gewinnen.

Gerade darum gibt es bei uns kein Fragen und kein Aushorchen. Wir vergleichen, die zu uns kommen, mit Rosen: Diese öffnen sich dann schon, wenn die Zeit gekommen ist! Auch das Vertrauen braucht Zeit, soll wachsen.

Die schwierigsten Fälle: Abgesehen von halb verhungerten, halb vergifteten, verletzten Kindern: Kinder, die völlig verstört kommen. Sie sind kaum ansprechbar, sie sondern sich ab, „hocken“ apathisch von allen möglichst weit weg und reagieren auf nichts und niemand – oder mit Wut und Zornausbrüchen, Aggression!!!

Wer sind unsere Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen? Alle sind ehemalige Kinder oder Jugendliche von der Strasse. Sie kennen aus eigener Anschauung und eigenem Erleben, wie es auf den Strassen und Plätzen zu- und hergeht.
Sie kennen den Hunger, eigene Verletzungen, die Angst, die Verlassenheit, die Wut – die eigene und die der Vorübergehenden. Sie haben erlebt: „…. sah ihn und ging vorüber.“ Bei uns hat ein anderes Leben angefangen,
bei uns haben sie gelernt: ZUSAMMEN kann es aufwärts gehen!

Aloisio Vom Hilfswerk Aktion Strassenkinder-Salvador erzählt hier, wie es zum Schäferbrief kam.

Wie froh war meine Mama, wenn sie, Mutter von 9 Kindern, uns ein paar halbe Tage in den Kindergarten bringen konnte!

Wir waren gern dort, wir gingen gern zur Schwester Antonella (aus dem Kloster Menzingen), denn sie war froh und fröhlich. Sie sang mit uns, spielte Klavier, liess uns „gfätterle“ und alle durften zeigen, was Besonderes sie konnten: singen, „heupörzeln“ und „gumpen“, auf einem Bein stehen, sich drehen, sich verstellen …. und Theater spielen!

In der Adventszeit übten wir stets ein Krippenspiel, das dann vor den Eltern, den Gotten und Götti, den Grosseltern und vielen anderen –natürlich dem Herrn Pfarrer, dem Herr Pfarrhelfer, dem Herrn Kaplan und den Vikaren – und vielen Lehrern vom Schulhaus aufgeführt wurde.

Ruth war die Heilige Maria, Seppi-Toni war der Heilige Josef, Robert und Roman und Toni und ein paar adere waren die Hirten – der„Alowisli“ aber?? Wie gern, wie gern wär er ein Hirte gewesen, einer, der mit einem Schäfchen auf der Schulter oder in den Armen zur Krippe geeilt wäre: zum Staunen über dieses Wunder, zum Bewundern… Nein! Der „Alowisli“ war dazu auserkoren, hinter dem Vorhang die Weihnachtsgeschichte vorzutragen, versteckt zu staunen!

„Schwester Antonella, warum darf ich nie ein Hirt sein?“

„Ja, Alowisli, wer sagt dann die lange Weihnachtsgeschichte auf? Dann können wir das Krippenspiel ja gar nicht aufführen!“

Der „Alowisli“ hatte die Schwester Antonella soooo gern,dass es sich drein schickte – ein wenig traurig schon!

Nach ein paar Jahren bei den Strassenkindern kam mir die Idee, die Spender und Wohltäter und sonst wie Interessierten zu informieren. Wie aber dieses Info-Blatt benennen? Wir berieten gemeinsam. Ruth, die frühere„Heilige Maria“ war dabei, der Hirte Toni auch. „Aloisio, Du schaust ja wie ein Hirte zu deiner Herde!“ Also: HIRTENBRIEF! Aber das geht nicht, sonst gibt es Streit mit den Bischöfen; diese schreiben HIRTEN-BRIEFE!

Dann also SCHÄFERBRIEF, nicht halb so theologisch und intelligent und wissenschaftlich gesetzt, aber hoffentlich doch so, dass sie GELESEN und verstanden werden: mit viel Herz und vielleicht auch Emotionen, dass die Bereitschaft zum HELFEN geweckt wird!

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Ein Schäfer, der seine Herde zusammen hält, sie schützt, Unheil von ihr fernhalten möchte, der verwundete „Schafe“ zu heilen versucht, der schon vielen beim Verelenden und Verenden beistand, der tröstete und weiter tröstet, Frieden und Eintracht herzustellen versucht – es gibt auch hier Futterneid und Eifersucht und Hahnenkämpfe – der auch mal den Hund anfeuert, etwas lauter zubellen und sogar zu knurren …. das ist Euer ALOISIO vom Hilfswerk AKTION STRASSENKINDER SALVADOR, der einstige Kaminfeger aus Ruswil.

Bitte, bitte, vergesst den Schäfer nicht. Betet für ihn undseine Herde und segnet alle. Danke

Nachtrag: Viele,viele Jahre später, als ich im Lehrerinnenseminar Menzingen unterrichtete,erwartete mich, ganz unerwartet, die verehrte, liebe Schwester Antonella. Sie umarmte mich wie früher und sagte: „Oh, Alowisli! Jetzt bist du doch noch ein Hirte!“

Aloisio Vom Hilfswerk Aktion Strassenkinder-Salvador erzählt hier, wie es zum Schäferbrief kam.


Wie froh war meine Mama, wenn sie, Mutter von 9 Kindern, uns ein paar halbe Tage in den Kindergarten bringen konnte!

Wir waren gern dort, wir gingen gern zur Schwester Antonella (aus dem Kloster Menzingen), denn sie war froh und fröhlich. Sie sang mit uns, spielte Klavier, liess uns „gfätterle“ und alle durften zeigen, was Besonderes sie konnten: singen, „heupörzeln“ und „gumpen“, auf einem Bein stehen, sich drehen, sich verstellen …. und Theater spielen!

In der Adventszeit übten wir stets ein Krippenspiel, das dann vor den Eltern, den Gotten und Götti, den Grosseltern und vielen anderen –natürlich dem Herrn Pfarrer, dem Herr Pfarrhelfer, dem Herrn Kaplan und den Vikaren – und vielen Lehrern vom Schulhaus aufgeführt wurde.

Ruth war die Heilige Maria, Seppi-Toni war der Heilige Josef, Robert und Roman und Toni und ein paar adere waren die Hirten – der„Alowisli“ aber?? Wie gern, wie gern wär er ein Hirte gewesen, einer, der mit einem Schäfchen auf der Schulter oder in den Armen zur Krippe geeilt wäre: zum Staunen über dieses Wunder, zum Bewundern… Nein! Der „Alowisli“ war dazu auserkoren, hinter dem Vorhang die Weihnachtsgeschichte vorzutragen, versteckt zu staunen!

„Schwester Antonella, warum darf ich nie ein Hirt sein?“

„Ja, Alowisli, wer sagt dann die lange Weihnachtsgeschichte auf? Dann können wir das Krippenspiel ja gar nicht aufführen!“

Der „Alowisli“ hatte die Schwester Antonella soooo gern,dass es sich drein schickte – ein wenig traurig schon!

Nach ein paar Jahren bei den Strassenkindern kam mir die Idee, die Spender und Wohltäter und sonst wie Interessierten zu informieren. Wie aber dieses Info-Blatt benennen? Wir berieten gemeinsam. Ruth, die frühere„Heilige Maria“ war dabei, der Hirte Toni auch. „Aloisio, Du schaust ja wie ein Hirte zu deiner Herde!“ Also: HIRTENBRIEF! Aber das geht nicht, sonst gibt es Streit mit den Bischöfen; diese schreiben HIRTEN-BRIEFE!

Dann also SCHÄFERBRIEF, nicht halb so theologisch und intelligent und wissenschaftlich gesetzt, aber hoffentlich doch so, dass sie GELESEN und verstanden werden: mit viel Herz und vielleicht auch Emotionen, dass die Bereitschaft zum HELFEN geweckt wird!

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Ein Schäfer, der seine Herde zusammen hält, sie schützt, Unheil von ihr fernhalten möchte, der verwundete „Schafe“ zu heilen versucht, der schon vielen beim Verelenden und Verenden beistand, der tröstete und weiter tröstet, Frieden und Eintracht herzustellen versucht – es gibt auch hier Futterneid und Eifersucht und Hahnenkämpfe – der auch mal den Hund anfeuert, etwas lauter zubellen und sogar zu knurren …. das ist Euer ALOISIO vom Hilfswerk AKTION STRASSENKINDER SALVADOR, der einstige Kaminfeger aus Ruswil.

Bitte, bitte, vergesst den Schäfer nicht. Betet für ihn undseine Herde und segnet alle. Danke

Nachtrag: Viele,viele Jahre später, als ich im Lehrerinnenseminar Menzingen unterrichtete,erwartete mich, ganz unerwartet, die verehrte, liebe Schwester Antonella. Sie umarmte mich wie früher und sagte: „Oh, Alowisli! Jetzt bist du doch noch ein Hirte!“